Fachwerkhaus

Das Hölzerne Zeitalter

Die Zeit bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts wurde von dem Soziologen Werner Sombart als "das Hölzerne Zeitalter" bezeichnet; denn Holz wurde in allen Lebensbereichen für vielfältigste Zwecke eingesetzt.

Brennholz

diente nicht nur zu Heizungszwecken, sondern spielte in Handwerk und Industrie als Energielieferant eine zentrale Rolle.
Auf Brennholz waren u.a. angewiesen:
Brauereien, Schnapsbrennereien, Schmieden, Glashütten, Ziegeleien, Kalkbrennereien und Salinen. So "fraß" z.B. eine einzige Glashütte pro Jahr an die 80 ha Wald.

Bauholz

Nutzholz

Die meisten häuslichen Einrichtungsgegenstände - Stühle, Schränke, Tische und anderes Mobiliar - sind aus Holz. Aber auch viele Dinge des täglichen Gebrauchs, die heute aus Glas, Porzellan, Metall oder Plastik bestehen, waren früher aus Holz.

In zahlreichen Familiennamen leben alte Holz-Berufe, die meist zusammen mit ihren Produkten ausgestorben sind, weiter.

Weitere bekannte Namen sind: Schnitzer, Zimmermann, Schreiner, Tischler, Stuhlmacher, Drechsler (Dreher).

Auch die sog. Nebennutzungen des Holzes haben sich in Namen niedergeschlagen.

Holzhandel

Dass man nicht nur die Landeskinder als Soldaten, sondern auch Holz gewinnbringend ins Ausland verkaufen kann, entdeckten die Landesherren bald. Und so erwiesen sich die weitgehend unerschlossenen Waldgebiete im Innern des Schwarzwalds als Schatzkästlein, aus dem sie sich ungeniert bedienten.

Und sie brauchten viel Geld.
Herzog Eberhard Ludwig für das Ludwigsburger Schloss (1704 - 1733);
Herzog Carl Eugen (1737 - 1797) für das Neue Schloss in Stuttgart, die Schlösser Solitüde und Hohenheim.
Dazu kamen Unsummen für die Hofhaltung, den Hofstaat, die Hofkapelle, für Tänzer und Mätressen.

Handel mit Holland

Der wichtigste Handelspartner in Sachen Holz war Holland. Durch ihren gewaltigen Aufstieg im 17. Jahrhundert benötigte die See- und Kolonialmacht viel Holz für den Schiffsbau, für Hafenbefestigungen, Deiche, Kanäle und Windmühlen.
Für einen Ostindienfahrer brauchte man etwa 2000 Stämme, für ein Kriegsschiff etwa 4000 Stämme.
1634 bestand die holländische Flotte aus 35000 Schiffen!
Für den Rumpf eines Schiffes waren krumme Eichenstämme gefragt. Tanne und Fichte dienten für Masten und Rahen.

(Anmerkung
Da die Eiche, weil spezifisch schwerer als Wasser, im Fluß sinkt und nicht gut flößbar ist, wurde sie entweder zwischen die Tannenstämme der Flöße als "Eichenschollen" "verspannt", d. h. mit eingebunden, oder als Oblast nach Holland gebracht.
Maße der Holländer-Stämme hier)

Palais Vischer Calw

Palais Vischer in Calw - heute Heimatmuseum

Ab 1700 bildeten sich Schifferschaften und "Holz-Compagnien", die Floßrechte vom Herzog pachteten. Eine davon war die Calwer oder Württemberger Floß- und Holzhandelscompagnie, die vor allem mit Holland einen schwunghaften Handel betrieb und viel Geld verdiente.
Das stattliche Palais Vischer, in dem sich heute das Museum der Stadt Calw befindet, wurde 1787-1791 von Johann Martin Vischer II errichtet nach Plänen eines Stuttgarter Baumeisters, der auch für Herzog Carl Eugen tätig war. Vischer II "der Fürsichtige"(1751-1801), Chef der Holzhandelscompagnie, genoss bei seinen Mitbürgern hohes Ansehen und hinterließ bei seinem Tod immerhin ein Vermögen von 173.00 Gulden. (Zum Vergleich: Das Haushaltsvolumen der Stadt Calw betrug 1791 ca. 5.000 Gulden!)
"Ihre stärksten und längsten Balken aber verhandeln sie um schweres Geld an die Mynheers, welche Schiffe daraus bauen"
heißt es in dem Märchen von Wilhelm Hauff "Das kalte Herz", das vom verhängnisvollen Zauber des Geldes erzählt. Einer der Flößer, eine Hauptfigur, trägt den bezeichnenden Namen "Holländer-Michel".

Allerdings kamen tatsächlich nur wenige Flößer aus dem Schwarzwald nach Holland; denn in Mannheim war in der Regel Endstation für die Schwarzwald-Flöße. Diese wurden dort aufgelöst und zu neuen großen Flößen zusammengefügt. Die Holland-Flößerei auf dem Rhein bis Dordrecht ist ein eigenes Kapitel. Ein Holländerfloß ist 8 bis 10mal so groß wie ein Enzfloß. Die Flöße bestehen aus mehreren Holzschichten und sind nun gewaltige schwimmende Dörfer mit bis zu 600 Mann Besatzung.

Holzmangel

Da Holz bekanntlich nicht so schnell nachwächst, wurden die Folgen der Ausbeutung schnell sichtbar.
Christian Friedrich Nicolai reist durch Deutschland im Frühjahr / Sommer 1781. Die Strecke zwischen Wangen und Stuttgart beschreibt er:
Eine ganz Weile fährt man entlang einer dichten Plantage von Weiden, vermischt mit Apfel- und Birnbäumen, ... die Weiden sind dazwischen gesetzt, da sich Esslingen wegen Mangel an Feuerholz der Reisigbündel aus Weidenzweigen bedienen muss.
Kloster Alpirsbach

Bilder von Alpirsbach (nebenstehend; Bildquelle), Wolfach und anderen Schwarzwaldorten aus dieser Zeit zeigen, dass die Flächen um die Orte herum - im Gegensatz zu heute - meist kahl waren.

1803 beschreibt Oberforstmeister von Moltke den Schönbuch
Der Schönbuch besitzt mehr kahle Weiden als Waldungen. Bisher waren auf den Viehweiden noch ziemlich Eichen und Buchen gestanden, die vor allem des Äckerichs wegen geschont wurden. Jetzt ist es anders. Man kann auf 100 Morgen großen öden Platten oft keine einzige Eiche sehen. [Aeckerich oder Eckerich sind Eicheln und Bucheckern, die zur Schweinemast dienen.]
Bereits 1797 hält Goethe bei einer Durchfahrt nach Italien den Schönbuch für eine Weide.
Über Holzmangel Theuerung und Wucher
Der allgemeine Holzmangel und die daraus resultierende "Theurung" und "Holznoth" gehören zur "Litaney eines ehrlichen deutschen Hausvaters". Es gibt in Berlin sogar eine "Gesellschaft für Holzsparkunst". Die Konstruktion von "Heizmaschinen und Sparöfen vermittelst welcher die halbe Feuerung beim Stubenheitzen kann ersparet werden" stößt auf großes Interesse.
Die finanziellen Folgen der Holzknappheit beschäftigen Johann Heinrich Steeb in seinem Buch: "Über Holzmangel, Theurung, Wucher und Cultur".
Unter allen Einwohnern Wirtembergs werden wohl, die Wucherer ausgenommen, wenige seyn, welche nicht über Mangel und Theurung des Holzes zu klagen Ursache haben. ... weil jeder, welcher zu seinem Gewerb Holz gebraucht, seine Arbeit und Waaren so theuer anschlägt, daß er meistens noch dabei gewinnt.
... Die Schmide müssen das Holz und die Kohlen eben so theuer bezahlen; sie rechnen also für das Hufeisen eines Pferds 24 kr.; vor einigen Jahren bezahlte man 12 kr.
An heutige Ratgeber zum Energiesparen erinnert das Buch des Professors für Medizin an der Universität Tübingen D. Ploucquet "Über den Holzmangel und die Mittel ihm abzuhelfen"!
Auch dieses Buch erschien im Verlag Jakob Friedrich Heerbrandt, dem Vorgänger der heutigen Buchhandlung Osiander in Tübingen.
Holzmangel und Mittel ihm abzuhelfen
Allzustarkes Einheizen
Niemand feuert unsinniger ein, als der Bauer und der gemeine Mann. Diese suchen des Winters ihre einzige Gutthat darinnen, daß sie in einer Luft sitzen, welche dem Eintrettenden als der erstickende Wind Persiens entgegen schlägt, und auf der Stelle Schlagfluß oder Erstickung droht. ... Aber auch Leute von Stande fallen in diese Fehler, daß sie zu stark einheizen lassen. Freylich thut es bey diesen die Magd, welche, so dumm sie sonst seyn mag, doch wol begreift, daß, wenn sie vieles Holz auf einmal anlegt, sie des fleißigen Zuschürens und Nachsehens überhoben seye.
Unter das allzuviele Einheizen muß auch gerechnet werden, wenn weichliche Leute schon in den ersten Herbsttagen einzuheizen anfangen, und solches bis in den späten Frühling, ja in den Sommer hinein forttreiben.
Der leidige Caffee frißt nun auch beym gemeinen Mann jeden Morgen eine Portion Holz auf, da vor diesem ein Schluck Branntewein seinen Magen besser erwärmte, als dieses theure und in manchem Betracht schädliche Geschlürfe.
Feuer beym Waschen
Noch ein holzfressender Mißbrauch ist das allzuviele Waschen und Blatten [Plätten], oder sogenannte Begeln [Bügeln]. So sehr auch Reinlichkeit zu empfehlen ist, so bleibt das Uebertriebene doch auch hierinnen zu tadeln: Ein einzelner kleiner, unmerklicher, und wenigstens Männer-Augen unsichtbarer Fleck verdammt ein Gewand zur Wasche;... und diese frißt denn unter den Händen der unachtsamen Wäscherinnen eine kaum glaublich Menge Holz auf; und denn vollends die Begeleisen zween Tage lang glühend zu erhalten, das kostet Holz!

Holzordnungen

Schon früh gab es Versuche, die Nutzung des Waldes in geordnete Bahnen zu lenken.
Viel Holz kam aus dem "Dornstetter Waldgeding" und so versucht die "Floutz und holtzordnung am Schwartzwald, ob vnd vnder Dornstetten" von Martini 1536 den Holzverbrauch zu regeln. In dieser "Ordnung" geht es deshalb weniger um das Flößen, sondern vielmehr um das Holz.
Ein Großteil der Einzelpunkte, meist Verbote, befasst sich damit, das kostbare Bauholz zu schützen, damit es dem Landesherrn bei Bedarf zur Verfügung steht.

Hinweis

Im Tübingen-Kapitel werden die Zusammenhänge zwischen Holzmangel, Flößerei und Universitätsgründung näher beleuchtet.
Im Sulz-Kapitel wird der Holzbedarf einer Stadt dargestellt. Der Saline und ihrem Holzbedarf und -verbrauch ist eine besondere Seite gewidmet.
In welchem Licht die Flößer in der Dornstetter Holzordnung erscheinen sehen Sie hier.