Aistaig Flößerbrunnen (1967)
Letzter Flößer - 1894
Steinmetz: Max Schönhaar
...und es schlummert auch im Flözer des Schwarzwalds ein Nibelungen-Recke, der nur auf den rechten Pinsel wartet.(1)Mit dem breitkrämpigen Hute, der rothen Weste, und den weißen Hemdsärmeln stehen diese kräftigen Gebirgssöhne in langer Reihe auf dem schwimmenden Walde und lassen ihn im taktmäßigen Ruderschlage nach den Niederlanden hinabgleiten, um reichen Städten feste Unterlage, schwellenden Segeln Stütze zu gewähren.(2)
Robert und Marie waren vorausgegangen. Sie wollten sehen, wie das Floß um die nächste leichte Biegung zog.
"Das sind Männer!" Marie gab ihrer Bewunderung für die so schneidig und kraftvoll aussehenden Flößer deutlich Ausdruck.
"Die gefallen dir wohl?" Klang da etwas Eifersucht aus Roberts Frage?(3)
Schon durch ihre malerische Gewandung fallen sie aus dem Rahmen des Üblichen.
Diese Menschen nun sind an ein rauhes, wanderndes Leben gewöhnt. ... Darum ist auch ihr Prachtanzug so verschieden von dem der Glasmänner im andern Teil des Schwarzwaldes. Sie tragen Wämser von dunkler Leinwand, einen handbreiten grünen Hosenträger über die breite Brust, Beinkleider von schwarzem Leder, aus deren Tasche ein Zollstab von Messing wie ein Ehrenzeichen hervorschaut; ihr Stolz und ihre Freude aber sind ihre Stiefel, die größten wahrscheinlich, welche auf irgendeinem Teil der Erde Mode sind; denn sie können zwei Spannen weit über das Knie hinaufgezogen werden, und die "Flözer" können damit in drei Schuh tiefem Wasser umherwandeln, ohne sich die Füße naß zu machen.(Hauff)
Die Stiefel sind auch herausragendes Merkmal der Volksliedstrophe:
Mei Schatz ist a Flözer,
A Langstiefel-Ma,
Er fährt mit der Stange
Ins Unterland 'na.
Sie verfügen über Bargeld und die Aura "der großen weiten Welt" umgibt sie.
Auch die Flözer auf der andern Seite waren ein Gegenstand seines Neides. Wenn diese Waldriesen herüberkamen, mit stattlichen Kleidern, und an Knöpfen, Schnallen und Ketten einen halben Zentner Silber auf dem Leib trugen, wenn sie mit ausgespreizten Beinen und vornehmen Gesichtern dem Tanz zuschauten, holländisch fluchten und wie die vornehmsten Mynheers aus ellenlangen kölnischen Pfeifen rauchten, da stellte er sich als das vollendetste Bild eines glücklichen Menschen solch einen Flözer vor.(Hauff)
Sie leiden weder Hunger noch Durst.
Sauer muß er gewesen sein, der selbstgepflanzte Wolfacher, auf dessen Boden längst wieder Tannen stehen; aber getrunken haben sie ihn doch, die biederen Flößer und ihre Knechte, vom Morgen bis in die sinkende Nacht. Und bald mußte die Herrschaft »die schlaftrünke als ein Überfluß und unnöttige füllerei den schiffherrn und den knecht« bei ein Pfund Heller Strafe verbieten. Der Durst aber blieb bis in unser Jahrhundert herauf, und ich kannte in meiner Knabenzeit noch manch durstigen Flößer.(Hansjakob)
Alles war an ihnen herzhaft, ihr Aussehen, ihre Redeweise, ihr Humor, und so auch ihr Appetit und ihr Durst - vor allem ihr Durst, das Nasse ist halt ihr Element gewesen. Einem rechtschaffenen Flößer langten ein halb Dutzend Bratwürste gerade zum Voressen und zwei Schoppen Wein zum Hinunterschwenken.
Und ein altes Sprichwort sagt: Das möcht' ich euch sagen, erst vier Liter füllen den Flößermagen.(Sebastian Blau)
Sie nehmen kein Blatt vor den Mund. "Grob wie ein Flößer!" sagt deshalb eine Redensart.
In einer "Schwarzwälder Dorfgeschichte" von Ludwig Auerbach erinnert sich ein Mädchen:Daheim auf Siebenhöfen hatte sie oft bei der Heuet im Thale die Flözer vom Schwarzwald auf dem Neckar mit einander schreien und fluchen hören, daß man meinte sie hätten die gräßlichsten Händel und würden beim Zusammentreffen einander erwürgen und mit ihren Aexten das Hirn spalten, und am Ende war's nichts als ein tapferer Zuruf.
Die Flößer wurden entlohnt nach der Länge der Strecke. Dabei wurde nicht berücksichtigt, wie lange die Fahrt tatsächlicht dauerte.
Hatten sie Glück, so fuhren sie in zwei Tagen bis nach Willstätt; bei einer minder glücklichen Fahrt hatten sie eine Woche zu tun. (Hansjakob)
Skulptur eines Waldarbeiters, beim Forlewangenhaus, von Rainer Faust
Die durstigen und lustigen Wasserleute wurden bis zum Frühjahr genügsame Waldleute. (Hansjakob)
Unter ihnen befanden sich von den Wolfachern der Turm-Sepple oder Turmpuberle, weil er auf dem Schloßturm zu Wolfe wohnte und zugleich Nachtwächter war, der vom Turm herab die Stunden pubte; dann der Grete-Hans, Hans Trier, nach seiner Frau, die Grete hieß und im Hause das Regiment führte, so benannt; der Muserle, welcher in freien Zeiten Mäuse fing... (Hansjakob)
Diese Meldung aus dem "Schwäbischen Merkur", gleichzeitig ein Spenden-Aufruf eines Pfarrers, gibt Einblick in die soziale Lage der Familie eines Flößers.
Die Floßfahrt führte nicht in die "weite Welt", sondern endete manchmal schon in Cannstatt oder gar Nürtingen. Also nicht: "Bald flöß ich am Neckar, bald flöß ich am Rhein"! (Allerdings verließen damals die einfachen Leute nur selten ihren Wohnort, insofern war auch solch eine Fahrt schon eine größere Unternehmung.)
Auch bei der Flößerei gab es eine Arbeitsteilung, und es kam nicht nur auf die Körperkraft, sondern auch sehr auf Geschicklichkeit und Erfahrung an.
Der Oberflößer auf dem ersten Gestör ... mußte scharf auf die Floßgasse zuhalten - das war jener Teil des Wehres, der zum sichern Abgleiten des Floßes mit glatten Balken, dicken Flecken und starkem Gefäll ausgebaut war.
Hatte sich das erste Gestör auf 60 bis 80 Meter dem Wehr genähert, so wurde die etwa fünf Meter breite Falle der Floßgasse so schnell als möglich hochgewunden. Gischtend und zischend stürzten die gestauten Wassermassen mit Macht in diesen verhältnismäßig schmalen Durchlaß, den das Floß nun passieren mußte.
Durch den plötzlichen Wasserandrang wurden die Gestöre in der Floßgasse oft beängstigend hochgehoben. Da duckten sich die Flößer nieder und zogen die Köpfe ein, um nicht unliebsame Bekanntschaft mit der Falle zu machen. Da es in der schmalen Gasse nicht genügend Platz fand, überflutete das Wasser nicht selten das Floß, und die Mannschaft lief Gefahr, abgeschwemmt zu werden.(S. 88)
Die Kunst der Flößer am Steuer, an den Floßhaken auf den Gestören und am Bremsriegel bestand nun darin, das Floß genau auf der Welle zu halten. War es zu schnell und überholte den „Schwall“, dann lag es danach auf dem Trockenen, und es bestand die Gefahr, dass es sich verkeilte. War es zu langsam, dann verlor es die Welle und lag ebenfalls auf dem Trockenen.
(1484)
Punkt 7Item wo sich auch erfindt, uff und in den Wassern, daß sie den Leutten schaden Thäten, mit Stehlen oder Schlahen, der soll zur Peen geben, Ein Pfund Heller, und welche Rinsen oder Legschiff huben, die sollen Drey Pfund zu Peen geben. (Peen - Strafe; Rinsen oder Legschiff - vermutlich eine Art Reusen zum Fischfang)(1740)
Die Flößer hätten in Rottenburg sich unterstanden, das untere Wehr zweimal, dreimal zu schwellen, weil sie möglicherweise den nötigen Trieb des Wassers "durch mittlerweyliges Zechen in Wirtshäusern fahrläßig verabsaumet" hatten. Folge davon war, dass oftmals alle Mühlen "einem einzigen Floz zulieb über einen halben Tag still stehen müssen."
Artikel XXXIVHier wird Klage geführt, dass die Flößer ihren Durchfahrzoll "theils nur in faulen, theils zerrissenen oder sonst schlechten Brettern" abgeführt haben.
Artikel XLVI
zeigt, dass die Flößer unter Spitzbuben zu leiden hatten.
Es ist auch abermahlen klagbar vorgekommen, daß die Flöz bey nächtlicher Weyl öfters angegriffen, und geschnittene Waahr davon heimblich entwendet worden. (Oblast aus Brettern)Die Dornstetter Holzordnung geht unter Punkt 7 auf die Flößer ein,
so Ire Höff vund ackerbuwe gentzlich verlassenDer Schluss dieses Absatzes lässt den wahren Grund für den herrschaftlichen Unwillen erkennen:
[und sich dem] holtz gewerb oder floitzen vmb des onordentlichen schlams vnd fillens willen [zuwenden, wodurch]
wyb vnd kinder etwa dahaimen mangel haben, ouch die güter In Abgang kommen.
[Die]besitzer solcher höff und lehenguter [sollen sich um ihren Grundbesitz und ihr Vieh kümmern,]sowie wyb vnd kind [erziehen, damit] ouch dem herren rennt vnd gülten dest stattlicher geraicht werden mögen.Offensichtlich hat die Aussicht auf schnelles Geld ("schlam und fillen"), manchen veranlasst, den Bauernberuf mit seinen Abgaben und Diensten ("rennt und gülten") an den Nagel zu hängen, wodurch dem Grundherren erhebliche Einbußen entstanden.
Hermann Hesse zeichnet ein Kontrastbild zum romantischen, heldischen Naturburschen:
Die Flößer gehörten offensichtlich zu den Unsesshaften, Wilden, Wanderern, Nomaden; und Floß und Flößerei waren bei den Hütern der Sitte und Ordnung nicht wohlgelitten. ("Floßfahrt" 1928)Schließlich zeigt dieses Bild heimkehrender Flößer, dass das Flößerleben nicht nur lustig war und Hauff schon recht hatte, wenn er sagte:
Ihre Freude ist, auf ihrem Holz die Ströme hinabzufahren, ihr Leid, am Ufer wieder heraufzuwandeln.