11 Apr. Glatt 1525 – Die Puppennäherin
Kultur- und Heimatverein Sulz eröffnet den Reigen der Jubiläumsveranstaltungen zum Bauernkrieg
Auf Einladung des Kultur- und Heimatvereins Sulz las Isabell Pfeiffer aus Ihrem Roman „Die Puppennäherin“ (oder heute auch „Niemandstochter“). Frau Dr. Schneider-Schöner (ihr eigentlicher Name) führte ihre Zuhörer erst einmal in die Welt des Jahres 1525 ein, eine Welt im Umbruch, voller Widersprüche und Unsicherheiten. Ein machtloser Kaiser, ehrgeizige Fürsten, von der Reformation bedrohte „Pfaffen“, Ritter, die von den Kaufleuten entmachtet wurden und deren Rüstung angesichts von Kanonen und Schusswaffen nur noch absurd erschien: sie alle sahen ihr Heil allein in noch stärkerer Ausbeutung der Bauern durch immer neue Abgaben und Leistungen.
Seit manche Bauern, auch im Glatttal, lesen können, äußern sie jedoch die aufmüpfgsten Gedanken. Andere Prediger als das „sanft lebende Fleisch zu Wittenberg“ (Müntzer über Luther) scheinen ihre Not zu erkennen. Und sehen ein Ende der Not nur durch eine Wiederherstellung der guten alten Zeit gewährleistet, als es nur Bauern und den König gab, keine Edelleute, Grafen, Äbte, Pröpste, Ritter, die allesamt nichts produzieren, sondern ihre vollen Bäuche, Keller und Scheunen, ihre Rüstungen und Mätressen nur der Arbeit ihrer Leibeigenen verdanken.
Als der Schwiegervater der Barbara Breitwieser in Glatt stirbt, versteckt ihr Mann das „Besthaupt“, das beim Tod eines Leibeigenen an den Leibherren abzugebende beste Stück Vieh, im Wald. In diesem Fall ein wunderschönes Pferd. Natürlich geht das schief und Barbaras Mann in den Turm und an den Pranger. Was letztlich aus einem wissensdurstigen, liebenswerten Kleinbauern und Ehemann einen Revoluzzer macht, welcher seinen zerschundenen Leib durch zerstörerischen Hass angetrieben in den Aufstand treibt, und ihn prompt das Leben kostet. Und zwar in der berühmten Schlacht von Böblingen am 12. Mai. Und immer steht die Heldin zwischen den Fronten, da sie selbst im Feind den Menschen sieht, oder wenigstens aus Klugheit zur Mäßigung rät, wenn die Kräfteverhältnisse gar zu ungleich sind.
Wie sich ihr Schicksal schließlich gestaltet, soll hier nicht verraten werden, das Buch liest sich zu gut. Angesichts des brillanten Vortrags der Autorin wünscht man sich ohnehin, das ganze Buch würde vorgelesen.
Musikalisch begleitete ein Flötenquartett des Ensembles für historische Musik „Flautissimo“ die Lesung auf Nachbauten von Renaissance-Instrumenten sehr einfühlsam mit Stücken aus der Zeit des Bauernkrieges, wie „Ein feste Burg ist unser Gott“ von Lukas Osiander, Text Martin Luther, und „Verleih uns Frieden gnädiglich“ von Erasmus Widmann. Wunderbar eingängige Musik, virtuos vorgetragen, aus einer unfassbar schrecklichen Epoche.
Klaus Schätzle

Isabell Pfeiffer las aus Ihrem Roman „Die Puppennäherin“

Flötenquartett des Ensembles für historische Musik „Flautissimo“