Richard Weinzierl (rechts) zeigt ein Bild seiner Heimat, Paul Müller (links) eine Zeichnung der Eichberger Papierfabrik in Schlesien.

Gedanken und Bilder zur Heimat

Was ist Heimat? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Ausstellung, die am Donnerstag im Bürgersaal des Sulzer Rathauses eröffnet wurde. Veranstalter sind der Kultur- und Heimatverein, das Bauernfeind-Museum und die Volkshochschule.

Sulz. Paul T. Müller, Vorsitzender des Kultur- und Heimatvereins, hat bereits vor einigen Jahren eine Bilderausstellung zum Thema Heimat initiiert. Gezeigt wurden allerdings nur Bilder von Sulz. Damit seien aber die Menschen nicht berücksichtigt worden, die nach Sulz gezogen seien, ihre eigene Geschichte und Erinnerungen an den Heimatort mitgebracht hätten. Müller freute sich über die Resonanz: 20 Leihgeber stellten Exponate zur Verfügung, zumeist versehen mit einem erläuternden, persönlichen Text.

„Ich habe mir Gedanken über die Heimat gemacht“, sagte Richard Weinzierl, Leiter des Sulzer Bauernfeind-Museums und damit Mitveranstalter. Er ist überzeugt: Wenn man fünf Leute nach ihrem Heimatbegriff befrage, bekomme man fünf verschiedene Antworten. Er spannte den Bogen zum Orientmaler Gustav Bauernfeind, der in Sulz geboren wurde. Sein Vater Johann Baptist Bauernfeind, Apotheker und Demokrat in Sulz, wurde wegen Hochverrats verhaftet und auf der Festung Hohenasperg eingesperrt. Weinzierl vermutet, dass das „Eingesperrtsein“ des Vaters mit ein Grund für die Reisefreudigkeit des Malers gewesen sei. „Er brauchte die Freiheit, die er beim Reisen genießen konnte“, sagte Weinzierl.

Der Museumsleiter hat zahlreiche Briefe Bauernfeinds durchforscht, darin aber keine Hinweis „auf Heimat“ entdeckt.

Ilse Schmid, Frau des verstorbenen Sulzer Heimatforschers und Bauernfeindexperten Hugo Schmid, konnte nicht selber zur Ausstellungseröffnung kommen. Sie hat stattdessen Richard Weinzierl gebeten, über ihre Erinnerungen an die Stadt Hamburg zu berichten. 1952 ist sie nach Sulz gekommen. „An den Ort meiner Kindheit erinnere ich mich immer wieder gern, denn dort bin ich geboren“, schreibt sie.

Volker Bertram stellte ein Aquarell mit dem Sulzer Marktplatzbrunnen und der evangelischen Stadtkirche im Hintergrund zur Verfügung. 1953 ist es gemalt worden. Seine Eltern hatten ein Geschäft in der sowjetischen Besatzungszone in Stendal. 1946 kam er nach Sulz: „Heimat ist für mich da, wo ich aufgewachsen bin.“ „Auch ich bin eine Reingeschmeckte“, verrät Sieglinde Reihling. Ihre Heimat ist die Ramsau in Österreich, wo sie eine wunderschöne Kindheit erlebt habe. Von ihr stammt ein Bild vom Dachsteinmassiv. Klaus Schätzle berichtet aus seiner Kindheit in Hirschhorn, das in den frühen 1950er-Jahren wie ein Abenteuerspielplatz ausgesehen hat. „Wir waren behütet, aber nicht überwacht.“

Obwohl blind, hat Sabine Ludi einen Bezug zu Bildern, wie Sylvia Schneider-Müller stellvertretend erzählte. Viele Fotos und Erinnerungsstücke sind beim Brand ihres Hauses vernichtet worden. Sie hat deshalb ihre Mutter um Bilder aus ihrer Kindheit und Jugend gebeten. Sabine Ludi hat ihre ersten Lebensjahre in Kleve verbracht. Ein entscheidender Lebensabschnitt für sie war die Blindenschule in Düren, wo sie „mit beiden Beinen ins Leben gestellt“ wurde. Eine neue Heimat fand die Glocke aus Pist im schlesischen Landesteil der Tschechischen Republik. Sie kam 1954 nach Sulz in die neu erbaute katholische Kirche.

„Das verkaufe ich nicht“, schreibt Nico Dulundu zur „Hagia Sophia“.Er ist schon vor vielen Jahren von Istanbul nach Sulz gezogen. Das Bild aus seiner türkischen Heimatstadt hängt nun im Büro seines Ladens.

Die Bilder werden vier Wochen lang im Bauernfeind-Museum in der Unteren Hauptstraße ausgestellt. Die Öffnungszeiten sind Sonntag von 14 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung.

Aus dem Schwarzwälder Boten vom 16. Oktober 2020