21. Vogt Joseph Bengel (1689 - 1752)

Grabmal Vogt Bengel
Herrn IOSEPH BENGELS, Fürstl.Würtb.EXP.Raths
und Vogts Zu Sultz
Welcher D. 20. Febr.im Jahr 1689 aus dem alten
Geschlechte der Teutsche SCIPIONUM entsprossen.
Erstl. A. 1713 Vogt zu Altensteig. Hernach A. 1726
Vogt allhier und endlich A. 1752 D. 25. Jul. durch einen
sanfften und seeligen Tod Vollendet worden ist
Seine gnädl. Herrsch. hat an Ihm ein[en gehorsame]n Diener,
Die Bürgerschafft einen wackeren und villigen Vorsteher,
Die Wittib einen zärtlich liebenden Ehgatten Verlohren.
Nein! Nicht verlohren,
Sondern in die ewige Sicherheit voran geschickt.
Er hatte keine Leibliche Kinder,
Aber die Kinder und Enckel seines einigen Bruders Herrn
[J.] Albrecht Bengels haben an ihm so viel als einen
leiblichen Vatter und Groß.Vatter gehabt. Sein Lauffen
zu diesem wird bey und ihnen unvergessen, seine liebe aber
nicht unvergolten bleiben.
Sein selbsterwählter Leich.Text und Grund seiner
Hoffnung war
[Joh. 17 V 20 21] Ich bitte aber [ ] gesandt

Im untersten Teil des Grabmahls, heute schon unter das Niveau des Friedhofs hinabreichend
Zu dauerhaftem Angedencken ließ dieses
Denckmahl sezen die betrübte Wittib
Augusta Sophia Bengelin
gebohrne Beerlinin

Johannes 17 V. 20/21
Nicht für diese allein aber, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben, bitte ich, dass alle eins seien, wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.
Laut Köhler war Bengel der letzte Vogt mit Oberaufsicht über die Saline. Seine Amtszeit deckt sich teilweise mit der des Salzfaktors Johann Joachim Osiander. So wurde er zur Untersuchung eingesetzt, als das 1737 neu erbaute Gradierhaus 1739 von einem Sturm zerstört wurde. Auch begutachtete er zusammen mit dem Salzfaktor Osiander die Pläne des Hofarchitekten Schwegler für eine solide Steinbrücke über den Neckar. Diese wurde am 10.10.1742 in Betrieb genommen.

Vogt Joseph Bengel war der einzige Bruder des großen Theologen und Pietistenvaters Johann Albrecht Bengel, dessen Kinder dann der "Wittib" ein würdiges Epitaph errichteten.
Johann Albrecht Bengel verfaßte Auf den Heimgang seines Bruders Joseph Bengel, den 25. Juli 1752 ein 13-strophiges Gedicht mit dem Titel Die im Tode selbst unzertrennte Liebe als ein Denkmal unserer Liebe, das an die Leichenbegleithung und andere Theilnehmende ausgeteilet werden kann.

Zwei Strophen daraus haben besonderen Bezug zu dem Grabmal des Vogts und dem seiner Witwe:

2. Von Jugend auf war unser Sinn verbunden.
Man sahe uns als frühe Waisen steh'n [der Vater starb bereits 1793]
Und desto mehr in Eintracht einher geh'n.
Hat sich hernach Veränderung gefunden,
Da Mund und Mund nicht oft zusammen spricht,
Das änderte die wahre Liebe nicht.

3. Du bliebest treu, und zeigtest es den Meinen,
Der Liebe half Dein liebes Ehegemahl,
Die Töchter und der Tochter-Männer Zahl,
Die Söhne, und die Enkel sind die Deinen:
Du liebtest sie. Du liebtest väterlich,
Und meine Freud' an ihnen freute Dich.
In einem Brief dankt er der Witwe
für die Liebe und Treue, die dieselbe ihm in so vieljähriger Ehe und in seinen Krankheiten, sonderlich aber, wie wir selbst gesehen, in seinem letzten Jammerstande erzeigt haben. Es sey damit ein großer Theil des Ihro beschiedenen Kreuzmaaßes überstanden, und die freundliche Gegenwart Gottes erleichtere den Stand, worin gel. Frau Schwester sich nun gesetzt sieht.

Dieses Grabmal hebt sich durch seinen ausführlichen Text ab, der wie eine Leichenpredigt mit Figuren der antiken Rhetorik (Redekunst) geschmückt ist. In der Form der Antiklimax ("umgekehrte" Steigerung) werden die Verdienste des Verstorbenen gewürdigt: Herrschaft - Diener, Bürgerschaft - Vorsteher, Wittib - Ehegatte. Eine pathetische Correctio (Richtigstellung) relativiert den Verlust und gibt Trost: "Verlohren. Nein! nicht verlohren, sondern ...". Eine Klimax (Steigerung), welche die persönlichen Qualitäten unterstreicht, verbunden mit einer emphatischen Wiederholung des "un-" rundet den Text ab: sein Lauffen - unvergessen, seine Liebe - nicht unvergolten.

aus dem alten Geschlechte der Teutsche SCIPIONUM entsprossen
Dekan Hartmann sah darin einen Versuch, das Geschlecht Bengel auf Scipio zurückzuführen; denn "scipio" kann man übersetzen mit "Stab, Stecken, Bengel". Man kann es aber auch einfach sehen als Hinweis darauf, dass Bengel latinisiert "Scipio" heißt und die Vorfahren zur Humanistenzeit (15./16.Jh.), als die Latinisierung des Namens üblich war, sich Scipio nannten.
Prof. Seybold schreibt in "Vaterländisches Historienbüchlein" (Tübingen 1801)
Sonst schufen die Gelehrten ihre teutschen Namen in lat. oder Griechische um. Die Bengel aber, die J.V. Andreä im J. 1619 in seinen Memorabilien S c i p i o B e n g e l hieß, entfernten klüglich den Lat. Namen um nur den teutschen zu führen.

Das hohe Grabmal trägt einen doppelt halbrunden Aufsatz, gekrönt von einem Totenkopf und zwei gekreuzten Knochen. Eine von einem Lorbeerkranz gebildete, fein gearbeitete Kartusche enthält, kaum erkennbar, ein Wappen mit gekreuzten Fackeln (?) mit wohl drei Sternen, darüber einen Kelch und noch einen Stern, darüber ein Kreuz. Rechts und links daneben sehen wir Rosen und Lilien, die sich als schön geschwungenes Rankenwerk auf den schmalen Randsäulen nach unten fortsetzen.