16. Johann Joseph Reuß (1739 - 1747)

Grabmal Johann Joseph Reuss
Hier ru[ht]
[Jo]hann Josep[h Reuss]
D[es] [Al]brecht Reich[ard Reus]sen
[Phys.]zu Sultz und Sop[h.Elisabet]
[Reuss]in geb.Bengelin eh[lichtes Söhn]
[lein ge]b.Ao 1739 den 4 [May] und
[nach] gezeigter Hoffn[ung still ent]
schlaffen Ao 1747 den [9 April]
Josephs Wallfah[rt [hört nie] auff
Ehe wir dara[us ]
Seine Brüder [ ]
[ ]
S ( eine ........
[Nur sein ]
[ über seine]
[ ]
Tauf zeugen Joseph Bengel Exped.
Rath und Vogt allhier des Groß
Vatters Bruder und Augusta
Sophia Bengelin, geb.Berlinin
Hier spricht also der große Amtsarzt Reuß selbst zu uns, dessen Frau auf dem Grabmal der Frau des Vogts Bengel genannt ist. Er musste sein achtjähriges Söhnchen, sein erstes Kind, ins Grab legen. Zu dessen Taufe hatte er einst ins Taufbuch geschrieben :
Der Herr bereit ins Kindes Brust
die Stätte seiner Wohnung,
darinnen man ihn selbst genießt
zur seligsten Belohnung,
Die Welt erkenn es nie,
und es verkenn auch sie,
bis dass es in der weißen Tracht
vor seinen Herrn werd hingebracht.
Albrecht Reichardt Reuß wurde am 10.1.1712 in Horheim bei Vaihingen geboren. 1727 - 1732 studierte er Medizin in Tübingen und war dort auch Mitglied des pietistischen Bibelkreises. 1732 wechselte er nach Halle/Saale, wo er zunächst den Franckeschen Pietismus kennenlernte, dann aber im selben Jahr als Arztstellvertreter nach Herrnhut berufen wurde. Der dort vorherrschende Geist der Zinzendorfschen Gemeinschaft prägte ihn bis an sein Lebensende.
1733 machte er seinen Dr.med., besuchte für eineinhalb Jahre seinen Bruder in Kopenhagen und ließ sich schließlich als praktischer Arzt in Mühlhausen/Enz nieder. 1735 erreichte ihn eine Aufforderung des Vogts Bengel aus Sulz, sich für den dortigen Amtsarztposten zu bewerben. Im Dezember 1737 hielt er um die Hand Elisabeths, der ältesten Tochter von Bengels Bruder Johann Albrecht (1687 - 1752), an. Die Hochzeit war am 11.2.1738.
Im Jahr 1752, dem Todesjahr von Vogt Bengel, erhielt Reuß den ehrenvollen Ruf als Leibmedicus des Herzogs nach Stuttgart. Er begleitete Herzog Karl Eugen mit seiner Gattin Franziska von Hohenheim auf einer Italienreise. Er starb 1780.

Wie eng er Sulz verbunden blieb, zeigt sein Auftreten als Pate in Sulz, während er schon lange in Stuttgart lebt. Außerdem wurde er beauftragt zusammen mit dem vielseitig gebildeten Theologen Prof. Oetinger, seinem Jugendfreund und Schüler Bengels, und dem Hof- und Rentkammer-Expeditions-Rath Dertinger ab Mai 1763 ein Gutachten über die Situation der Sulzer Saline zu erstellen.

Johann Albrecht Bengel, der berühmte Theologe und Pietist, war mehrfach in Sulz und führte eine umfangreiche Korrespondenz mit seinem "Tochter-Mann" vor allem wegen dessen Herrenhuterisch geprägten Pietismus. Aber auch weltliche Dinge kommen zur Sprache:

Auf einen Brief von Reuß hinsichtlich der Erziehung seines Sohns, der gerade fünfeinhalb Jahre alt ist, antwortet Bengel am 16. November 1744:
Mein hertzlich geliebter Herr Sohn.
Die Überlegung, wie der liebe Joseph zu u n t e r w e i s e n seyn möchte, ist rechtmässig, aber der Vorschlag wegen eines Informatoris domestici (Hauslehrers) ist meines Erachtens noch zu frühe. Beede Eltern und der Jäger können ihm schon genug geben, wann jedes täglich den dritten Theil einer Stunde, ein Pensum in das andere gerechnet, auf ihn wendet. Wer das einemal nicht dazu kommen kann, oder zu bald abbrechen muß, bringt es ein andermal herein. Man könnte ihn wol auch gastweise in die Schule gehen lassen, daß er gradatim (allmählich) eine Viertel- oder halbe Stunde, nur in Gegenwart des Lehrenden, da wäre; etwas aufsagte, und sodann wiederheimginge. [...] Wann man zu Sultz in der Schule provectiores discipulos (vorgerücktere Schüler) hätte, so könnte man auch deren einem die Information privatim auftragen, daß gel. Hr. Sohn nur per intervalla (hin und wieder) dergleichen etwas dabey thun könnte [...]
Ein weiterer Sohn von Albrecht Reichardt Reuß, das dritte von seinen neun Kindern, Christian Gottlieb Reuß (geb. 13. Dez. 1742 in Sulz) trat ganz in die Fußstapfen des Vaters, wurde gleichfalls Arzt und erhielt 1766 die Urkunde der Ernennung zum Hofmedikus. 1774 wurde er an die Hohe Karlsschule berufen, wo er als Professor für Chemie, Naturgeschichte und Materia Medica auch Lehrer des Dichters Friedrich Schiller war. 1780 wurde er, wie vordem sein Vater, Herzoglicher Leibmedikus und wurde 1806 Mitglied der Königlichen Medizinal-Direktion. 1808 erfolgte schließlich die Erhebung in den Adelsstand. Er starb am 8. Juli 1815.
(Eine ausführlichere Darstellung dieses berühmten Sulzers findet sich im Stadtbuch S. 298 ff)