12 Sep Pragreise des Kultur- und Heimatvereins
Zentrale Opulenz
Die PragfahrerInnen des Kultur- und Heimatvereins haben je eine gültige Straßenbahnfahrkarte zurückgebracht. Denn das Hotel der Gruppe lag so zentral – an der Karlsbrücke – dass der Kauf von zwei Fahrkarten sich als überstürzt erwies – eine einzige hätte gereicht. Und so erschloss sich Prag zu Fuß;. Unter der kundigen Führung von Franz Riester taten sich der Hradschin auf, aber auch das ehemalige Ghetto, Alt- und Neustadt, Kirchen, Dome, eine Synagoge, Plätze, Festungsanlagen, Parks und stilvolle Lokale. Herr Riester verstand es, ebenso fesselnd wie mit Anekdoten gespickt, historische Zusammenhänge aufzuzeigen und Schauplätze für sich sprechen zu lassen: Nepomuk stirbt für sein Beichtgeheimnis, der Garten der deutschen Botschaft beherbergt 5000 Flüchtlinge, Jan Palach verbrennt sich aus Protest gegen den sowjetischen Einmarsch 1968 auf dem Wenzelsplatz. Der heutige Außenminister der tschechischen Republik, Graf Schwarzenberg, stammt von den Sulzer Grafen ab. Zum Leidwesen des Vereinsvorsitzenden blieb die „Villa Müller“, Schwarzenberg-Nachbar in der Nähe der Prager Burg, unerschlossen. Dafür gab es eine astronomische Uhr von 1410 (!) zu bestaunen, eine Wachwechselparade, die der Hollywood- Regisseur Milos Forman (Einer flog über das Kuckucksnest, Amadeus) für seinen Freund, Staatspräsident Vaclav Havel ersonnen hat, oder Krankenwagen, die mit Sirene und Blaulicht vor einer roten Ampel hielten.
Franz Riester und Pragfahrer
Und immer wieder Denkmäler. Rotunden, Theater, Statuen; Bürgerstolz und Fanatiker. Opernhäuser sind Waffen, Schwerter sind Kultur. Denkmäler zur Glorifizierung der Fremdherrschaft oder des Protestes dagegen – Luxemburger, Habsburger, deutsche Nazis, Sowjets und DDR- Panzer. Am bekanntesten zweifellos das Monument auf dem Altstädter Ring (dem Marktplatz) für den Reformator Jan Hus, der 1415 in Konstanz zum Märtyrer wurde, aber auch das Gedenken an die Heydrich- Attentäter wird gepflegt. Was auffällig fehlt, ist ein Denkmal, das an die nach 1945 an Deutschen begangenen Greuel erinnert. Wenn das auch nicht wirklich verwundern kann, so ist es doch bedauerlich.
Ein Name fiel jeden Tag ungezählte Male und unsere Reisegesellschaft gewöhnte sich an, ihn im Chor zu rufen, sobald Franz Riester wissen wollte, wer wohl der Erbauer / Initiator / Gründer des… der … war. Die Antwort auf jede zweite in diesem Zusammenhang gestellte Frage lautet im Zweifelsfall „Karl IV.“ (1316-1378, König und Kaiser). Karls- Universität, Karlsbrücke, Burg Karlstein, Karls- nein, Veitsdom: alles seins.
Und noch etwas ist typisch für Prag: hier wird gestürzt, was das Zeug hält. Politiker (es gibt allein drei (!) Prager Fensterstürze), die Moldau übers Wehr, Opernbesucher über niedrige Balkonbrüstungen (beinahe). Dvoraks „Jakobiner“ lockte die Gruppe ins Nationaltheater, wo sie eine opulente Aufführung in vollen Zügen genoss, ähnlich wie am Abend zuvor ein Galadiner.
Der Kultur- und Heimatverein plant für nächstes Jahr wieder eine Städtereise.
Klaus Schätzle