Die Floßstraße

In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf
Zum Leben, deine Wellen umspielten mich,
Und all der holden Hügel, die dich
Wanderer! kennen, ist keiner fremd mir.
(Hölderlin: Der Neckar)

Am Neckar, am Neckar,
Do ischt e Jedes gern.
Wer d´Heimat hat am Neckar,
Der sehnt se net in d´Fern´.
(Volkslied)

Wias plätscheret ond strudlet
ond wuselet ond hudlet,
wias läbberet ond motzet
ond Kieselbatze schlotzet!
(Sebastian Blau, Dr Necker)

Dieser weitberuffene Neccar-Strohm entspringt nicht über 5000 Schritt vom Donau-Brunnen im Württembergischen, oberhalb des Dorffs Schweiningen, in der Ebene neben den Aeckern, von welchen Aeckern wol der Name Neccar dörffte her rühren. (Johann Martin Rebstock)

Die Kelten nannten den Neckar „nikra“. Dies ist ein aus zwei Teilen zusammengesetztes Wort aus „nik/neik“ gleich „heftig/böse/rasch/reißend“ und „ara“ für „Wasser“.
Die Römer, welche den Neckar als Flussgott mit Stierstatuetten verehrten, wandelten diesen Namen in ein „nicer“ um, welches in die Bezeichnung „Necker/Neckar“ in den Urkunden ab 765 mündete. (J. Deyle: Das Neckartal)

Bis der Neckar zur schiffbaren "Bundeswasserstraße" wird, legt er, nach bescheidenen Anfängen im Schwenninger Moos, ein ziemliches Stück als kleines Flüsschen zurück.
Sott ma's glaube, schla mes Blechle,
dass des wenzig, wonzig Bächle
mol en Necker geit?
(Sebastian Blau)

Im Regenschatten des Schwarzwalds liegend, mit wenig nennenswerten Nebenflüssen wird er erst nach dem Zufluss der Glatt (durch Heimbach und Lauter verstärkt) bei Neckarhausen für die Langholzflößerei und den Transport des Holzes aus dem Schwarzwald interessant.

Verglichen mit der Flößerei auf Kinzig und Schiltach (mittlerer Schwarzwald); Nagold, Murg und Enz (Nordschwarzwald) ist die Neckarflößerei zunächst zweitrangig, was ihre Bedeutung für den Schwarzwald anbelangt.

Erst auf Anordnung der württembergischen Regierung wurde in den Jahren 1828/29 die 42 km lange Floßstraße von Rottweil nach Sulz eingerichtet und der oberste Neckar damit floßbar gemacht.
Neckar Längenprofil

Diese Grafik gibt eine Übersicht und ein Längenprofil des Neckars vom Ursprung bis zur Glattmündung (von km 367 bis km 297) mit Zuläufen, Schwellstuben und Einbindestätten. (größeres Bild)

Was heißt "floßbar machen"?
Floßsperre
Hochwasser, Eisgang und die Flößerei selber führten zu zahlreichen Beschädigungen, so dass jährliche Kontrollen und Ausbesserungen - meist im August - unumgänglich waren.

Die Anlieger und Betroffenen

Der Vertrag von 1740 führt in einer langen Liste auf, wer bei der Konferenz in Rottenburg zugegen war. Man sieht daran, wieviele Interessen durch die Flösserei tangiert waren.

Nach den Vertretern Österreichs (u.a. Hr. Johann Joseph Gäßler von Braunegg, Obervogt zu Horb), Württembergs und Eßlingens sind die am Floz-Weesen respective Theil nehmenden oder sonst interessierten Wasser-, Wuhr- und Mühl-Herrschafften genannt. Nur einige Beispiele seien angeführt, um die verwickelte Interessenlage zu illustrieren:

Hr. Franz Meinrad Reeß Canzley-Verwalter zu Haigerloch wegen Fischingen;
ein Consulent, als Interessenvertreter von ex parte (von Seiten) der Flozerschafft
Die Anlieger waren vor allem interessiert daran, wer ihnen den Schaden an Bruggen, Weegen, Steegen, und Güthern, auch Wasser-Wuhren ersetzen würde.
Durch die Flößerei unmittelbar in ihrer Berufsausübung betroffen sind:
- die Wasserwerksbesitzer (gemeint sind hier Anlagen, die mit Wasserkraft betrieben werden)
- die Fischer

Fischer

Fischstein
Im Vertrag wegen des Flötzens und Vischens im Neckher von 1484 bekommen die Fischer eine Hälfte des Bußgelds zugesprochen, falls außerhalb des zeitlichen Rahmens geflößt wird. Auch im Vertrag von 1740 spielen sie eine große Rolle.
Die nebenstehende Abbildung zeigt einen sog. "Fischstein", der oberhalb des Sulzer Wuhrs am Hang steht und die Fischwasser-Rechte der Stadt Sulz (Buchstabe S) und des Hofguts Geroldseck (G) markierte.

Müller und Wasserwerksbesitzer

Kein Müller hat Wasser und kein Schäfer hat Weide genug. (Sprichwort)

Mit Sebastian Blau zu sprechen: "Mit den Müllern standen die Flößer ungefähr wie die Schäfer mit den Bauern". Es war ein ständiger Kampf um das Wasser bzw. die Wasserkraft. Dabei umfasst der Begriff "Mühlen" ein weites Spektrum: Diese Mühlen waren durch den zunehmenden Floßverkehr in ihrer Tätigkeit behindert.
Hatte zum Beispiel ein Floß in Niedernau angelegt, dann mußte der Müller beim Preußischen die Fallen zumachen und das Wasser stauen, bis der Neckar nach Rottenburg herunter fahrbar war. Und wenn das Floß unterwegs hängen blieb, mußte die obere Mühle 'Nachschuß' geben. (Sebastian Blau, Rottenburger Hauspostille)
Außerdem wurden die Wehre durch Flöße immer wieder beschädigt.
Schon der Vertrag von 1342, der sonst nicht viele Details regelt, fordert Schutzbretter am Durchlass der Wehre.
Fischingen Streichwehr
Zwei Wehre waren bei den Flößern am obersten Neckar besonders gefürchtet: das Sulzer "Wuhr" und das Fischinger Wehr (Bild). Beides "Streichwehre", bei denen der Durchlass der Floßgasse im rechten Winkel zur Richtung des Flusses steht. Ein Floß aus mehreren Gestören hier durchzubringen war absolute Schwerstarbeit.

Die Auseinandersetzungen zwischen Mühlenbesitzern und Fischern auf der einen Seite und Flößern auf der anderen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Akten zur Flößerei, die sich im Staatsarchiv Stuttgart finden.

E 146 Bü 9007
Flößerei in den Oberämtern Oberndorf, Rottenburg, Stuttgart Stadt, Sulz, Tübingen, Ulm und Vaihingen
Enthält u. a.:
Streitigkeiten des Pächters des Hammerwerks in Schramberg mit der Flößerschaft auf der Kinzig und der Anlegung einer Wassermühle; Beschwerde mehrerer Fischwasserbesitzer in Rottenburg über Eigentumsbeschädigung durch die Verbesserung der Neckarfloßstraße bei Rottenburg; Beschwerde des Mühlenbesitzers Pfeifer in Rottenburg und dessen Erben wegen des Bezugs der Rangierbretter von den Neckarflößern; Beschwerde der Neckarflößerschaft gegen die Mühlenbesitzer Pfeifer und Holzherr in Rottenburg wegen ungebührlichen Bezugs von Floßdurchlassgebühren; Übereinkommen der beiden Parteien über die Floßgebühren; Forderung des Holzhändlers Mährle in Rottenburg; Beschwerde des Wasservogts Rommel wegen Beeinträchtigung der Flößerei durch die Müller in Rottenburg; ... Gesuch mehrerer Fischwasserbesitzer in Aistaig und Sulz um Entschädigung wegen Beeinträchtigung ihrer Fischwasserrechte durch das Flößen auf dem oberen Neckar..
1 Bü (8 cm), 15 Unterfasz. 1819-1868
Dass immer wieder Schäden vorkamen, weil die Bestimmungen nicht eingehalten wurden, belegt auch diese frühe Ausgabe des "Schwarzwälder Boten".(größeres Bild)
Beschwerde
Beschwerde Gewehrfabrik
Im Zeitalter der Industrialisierung kam die Flößerei in Konflikt mit der Industrie, wie dieses Schreiben anlässlich eines Schadensfalles bei der Oberndorfer Gewehrfabrik zeigt. (größeres Bild)