Das letzte Floß

Zunftstube
Am 18. Oktober 1899 nachmittags zwei Uhr versammelten sich die Flößer vor ihrer letzten Fahrt in ihrer Zunftherberge, der Wirtschaft "Zum Ritter" in Sulz a.N.. Gegen vier Uhr verließ die Floßmannschaft unter Begleitung des Ritterwirts Schmid und seiner Frau die Wirtschaft und die Stadt und begab sich zum Einbindeplatz. Eine Fahne und eine buntgeschmückte Birke, ein "Maien", zierten die Prozession, die das Lied "Muß i denn zum Städtele hinaus" sang. Auf dem mit Tannen geschmückten Floß wurde das Flößerlied (Text) angestimmt.
Versammlung bei der Abfahrt

Der Blick richtet sich auf das Neckartal gegen Nordosten unterhalb von Sulz, links der Wöhrd, rechts der Einbindeplatz und die Holzhauser Steige im Hintergrund. Die Personen von vorne nach hinten: "Jockele" Anton Schwenk aus Fischingen mit Stange. ("O wie weh ist's dem zu Mut, der hier das letztemal sperren thut"). Dann Stadtvorstand Malmsheimer (am Ufer), der dem Floßherrn Medard Zimmermann von Betra die Hand reicht. Medard Zimmermann hatte das Holz aufgekauft und zum Einbindeplatz transportieren lassen. Danach das Wirtsehepaar Frau und Herr Schmid, Stadtmüller Dolmetsch und Gottlieb Deuringer von Fischingen mit der Flößerstange. Franziskus Zimmermann, Betra, hält das Schild mit Inschrift: "Leb wohl, du schöner Neckarstrom...".(Text) Die weiteren Personen - hier nicht mehr erkennbar - sind laut Schöpfer: Sebastian Wehrstein von Fischingen bei dem "Maien", und Joseph Schäfer von Leinstetten bei der Fahne. Michael Hellstern von Betra, mit hochgeschwungener Axt, ist im Begriffe, die Sperre zu lösen. Auf dem Vorderteil des Floßes: Wilhelm Merz von Leinstetten

Der Stadtvorstand, der eine Rede hielt, der Besitzer der Stadtmühle und ein großer Teil der Sulzer Einwohnerschaft hatten sich zur Verabschiedung am Einbindeplatz eingefunden.
Unter Pistolensalven und Zurufen der Bevölkerung verließ das Floß die Stadt.

Durch Niedrigwasser erheblich aufgehalten, erreichte das Floß erst am Donnerstag, 26. Oktober, Rottenburg. Dort stieg eine Abordnung der Tübinger Studentenverbindung "Normannia" zu und begleitete die Flößer auf ihrer Triumph-Fahrt durch Tübingen bis nach Neckartellinsfurt. Die Studenten hatten natürlich ein Fäßlein Bier und Zigarren dabei.

In Tübingen, wo das Floß "seit Tagen" erwartet worden war, herrschte ein "beinahe lebensgefährliches Gedränge" auf der Neckarbrücke, und ein Chargierter der "Normannia" hielt eine feierliche Abschiedspauke. Während ein ohrenbetäubendes "Jockele sperr" ertönte, Burschenlieder gesungen wurden und wieder "Muß i denn" erklang, glitt das Floß langsam neckarabwärts.

Ziel der Fahrt war Eßlingen, wo das Floß am Samstag, den 28. Oktober, nachmittags anlegte. Die Flößer begaben sich dort in die Flößerwirtschaft "Zum Ochsen", um die letzte Fahrt nochmals kräftig zu feiern nach dem Motto: "Nach der letzten Fahrt gibt's a Strüßle und a Rüschle". Oberflößer Merz trug "im reinsten Schwarzwälderdeutsch" ein Gedicht vor:

Dort versammelten sich auch die Eßlinger Werkmeister, die das Floß ersteigert hatten. In Eßlingen wurde am nächsten Tag von der Mannschaft noch ein Bild aufgenommen, und dann brachte die Eisenbahn,"das moderne Dampfroß", die Flößer wieder in die Heimat.

letzte Flößer

Das vorliegende Bild, das vielleicht schon in Sulz aufgenommen wurde, vereint, von links nach rechts: Michael Hellstern aus Betra, Joseph Schäfer (sitzend) aus Leinstetten, Wilhelm Merz aus Leinstetten, Franz Zimmermann aus Betra, Oberflößer Gottlieb Deuringer aus Fischingen, Floßherr Medard Zimmermann (sitzend) aus Betra, Sebastian Wöhrstein aus Fischingen und Anton Schwenk aus Fischingen.

Anmerkungen
  1. Der Artikel von Helmut Eck in den "Tübinger Blättern" spricht von einer zweiten Quelle, die den 20. Oktober als Abfahrtstermin nennt. Dies würde die sehr lange Fahrzeit von Sulz bis Tübingen von 8 auf 6 Tage verringern.
  2. Nachdem das letzte Floß Tübingen passiert hatte, wurde dort das für die Stromerzeugung wichtige Wehr gebaut. Außerdem wurde die Brücke abgerissen und die Eberhard-Brücke in ihrer heutigen Form errichtet (Eröffnung am 27.7.1901).
  3. Der letzte Flößer, Johannes Link aus Hopfau, starb 1940.
  4. Der ganze Text lautet:
    • Leb wohl, du schöner Neckarstrom,
    • Viel Flöße hast getragen schon;
    • Das Recht ist dir genommen,
    • Wo viele Geld errongen!
  5. Der Text des Flößerlieds lautet:
    • Es gibt keine schönere Freundschaft nicht
    • Als das Flößerleben.
    • Wenn einer zu dem andern spricht:
    • "Bruder, du sollst leben.
    • Leben sollst du jederzeit,
    • Tausend Jahr' nach Ewigkeit,
    • Bruder, du sollst leben!"